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Elisabeth Meixner-Mücke

HOPE-Kongress München 2010 -
„Das kranke Kind - aufgehoben im Netzwerk von Pädagogik und Medizin“


(Veröffentlichung: Schulverwaltung in Bayern, Heft 3 / 2011 S70ff.)

 

Qintessenz


Schulen für Kranke in Bayern

In Bayern sind zur Zeit 15 Schulen für Kranke eingerichtet, die entsprechend der medizinischen Ausrichtung der jeweiligen Kliniken- von der Akutklinik bis zur Kurklinik - sehr verschieden arbeiten und ihr schulisches Angebot in Abstimmung mit den Lehrplänen der Stammschulen an die Erkrankungen und Behandlungsabläufe der dort untergebrachten Kinder und Jugendlichen anpassen. Jährlich werden etwa 15.000 Schülerinnen und Schüler von den Schulen für Kranke unterrichtet, beraten, und in der Nachsorge nach Möglichkeit der Ressourcen weiter betreut.
In München existiert die Besonderheit zweier Klinikschulen an einem Ort: die Schule an der Heckscher-Klinik mit dem Schwerpunkt Psychiatrie/Psychosomatik und die Schule für Kranke München mit Schwerpunkt Somatik/Psychosomatik.
 

So hat es begonnen….

Vor etwa drei Jahren stellte die Organisation HOPE, Sektion Deutschland unter Leitung von Frau Maria Schmidt, Ludwigsburg; die Anfrage an die beiden Klinikschulen in München, den turnusmäßig stattfindenden Kongress im Jahr 2010 in München auszurichten. Das Interesse war geweckt, schnell tat sich ein effektiv arbeitendes Team aus beiden Schulen in München und HOPE Deutschland zusammen, es konnte beginnen.
Die Veranstalter:
HOPE Deutschland, Repräsentantin Maria Schmidt, Ludwigsburg
Schule für Kranke München, Sonderschulrektorin Elisabeth Meixner-Mücke
Schule an der Heckscher-Klinik, Sonderschulrektorin Anne Kohtz-Heldrich
Förderverein Schule für Kranke München e.V., Rechtsanwältin Dolores Waldschmidt
Koordination mit der EU, Sonderschulkonrektor Alto Merkt, Schule für Kranke München
 

Was ist HOPE  - Hospital Organisation of Pedagogues in Europe?

HOPE ist eine Vereinigung von Lehrkräften an Schulen für Kranke auf Europäischer Ebene. Die Organisation hat Mitglieder in fast allen europäischen Ländern und unterhält Kontakte auch in andere Teile der Welt. Jedes Land hat einen eigenen Repräsentanten. Mehrfach im Jahr treffen sich die jeweiligen Ländervertreter zu einem Austausch. Seit 2006 ist sie als NGO (Nicht-Regierungs-Organisation) vom Council of Europe anerkannt.
HOPE ist eine international gemeinnützige Organisation und hat u.a. folgende wissenschaftliche und pädagogische Ziele (Maria Schmidt, HOPE Deutschland):


Diese Ziele werden durch die Organisation europäischer Tagungen, Kongresse und Seminare, sowie durch eine europaweite Zusammenarbeit in Projekten und Workshops verwirklicht. Zahlreiche Publikationen, ein regelmäßiger Newsletter sowie eine Internetpräsenz stellen die Arbeit von HOPE in beeindruckender Weise dar.
Durch Kontakte zu nationalen und europäischen verantwortlichen Gremien in Erziehung und Bildung stellt HOPE die Verbindung zur politischen Ebene her.
 

Das Thema des Kongresses

„Das kranke Kind- aufgehoben im Netzwerk von Pädagogik und Medizin“ war das Ergebnis vieler Diskussionen und Überlegungen.
Der Gedanke der Inklusion, durch intensive Kooperation der Fachleute ein Netz zu knüpfen, setzt eine gute Zusammenarbeit der für den Heilungsprozess bei kranken Kindern verantwortlichen Partner von Medizin und Pädagogik im Verbund mit den Eltern und den Betroffenen voraus. Seit Gründung der Schulen für Kranke ein konstituierendes Anliegen, und ein mühsamer Weg. Durch die Wahl der eingeladenen, in der „Szene“ hoch angesehenen Referenten für die mehr als 80 Fachbeiträge wollten wir ein deutliches Zeichen des Fortschritts setzen.
 

Was hatten wir uns vorgenommen?

Medizin und Pädagogik sollten ihre partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Bekämpfung schwerer Erkrankungen und der Erhaltung von Lebensqualität aufzeigen können.

Die Europäische Union sollte als Partner gewonnen werden, mit unserem Programm gegen eine Ausgrenzung von Menschen auf dem Weg des lebenslangen Lernens.

Und nicht zuletzt sollten in der Pädagogik bei Krankheit die pädagogischen und didaktischen Ansätze mit somatisch wie psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen gleichwertig nebeneinander stehen.
 

Finanzierung

Die Finanzierung war ein zentrales Thema in der Vorbereitungszeit. Wir wollten neue Wege gehen. HOPE bildet die Plattform, aber die Teilnehmer mussten bisher vergleichsweise hohe Teilnehmerbeiträge bezahlen. Unsere Absicht war, auch Lehrkräften aus „ärmeren“ Ländern durch finanzielle Unterstützung die Teilnahme am Kongress ermöglichen. Deshalb stellten wir einen Antrag bei der Europäischen Union, diesen Kongress zu unterstützen.
Einen wesentlichen Anteil am Gelingen des Kongresses hatte der Förderverein der Schule für Kranke München e.V., indem der ausschließlich ehrenamtlich arbeitende Vorstand die rechtliche und finanzielle Abwicklung übernahm und weitere Sponsoren für den Kongress gewinnen konnte.
 

Der Kongress in Zahlen:


380  Teilnehmerinnen und Teilnehmer
33 Herkunftsländer*
20 Vorträge
62 Workshops und Foren
160 Teilnehmer beim Angebot „Klinikschulbesuche“
450 Gäste beim Empfang des Ministers
280 Teilnehmer beim Bunten Abend im Hofbräuhaus
10 Personen im Vorbereitungsteam
50 Meetings des Vorbereitungsteams
40 Lehrkräfte zusätzlich bei der Durchführung der Tagung
20 freiwillige Helfer einschließlich Verwaltungskräfte und Amtsmeister
Hunderte von Briefen und viele tausend E-Mails.


Politische Unterstützung

Noch zu Amtszeiten des Bundespräsidenten Horst Köhler übernahm Frau Eva Luise Köhler die Schirmherrschaft zu diesem Kongress. Ihre Grußbotschaft enthält den Hinweis, dass Lebensprobleme wie etwa zu Gesundheit und Bildung gemeinsam und zu ihrer notwendigen Zeit, und nicht aufgetrennt nach Professionen zu lösen sind. Sie schreibt zur Situation schwer kranker Kinder: „Die Schule und das Lernen verschiebt man auf später, der Zugang zu Bildung genießt oft weniger Priorität. Zuweilen geraten Kinder jedoch gerade durch solch vermeintliche Erleichterung in eine psychosoziale Krise, …( )Deshalb brauchen kranke und besonders chronisch, langzeiterkrankte Kinder eine individuelle pädagogische Unterstützung, um den Kontakt zu ihrer Heimatklasse zu erhalten und sowohl vom Lerninhalt her als auch in sozialer Hinsicht mithalten zu können. Dabei kommt es darauf an, dass sich alle am Lern- und Genesungsprozess Beteiligten zusammentun und den Kindern diesen Weg ermöglichen.“

Die vom Freistaat Bayern ausgehende Unterstützung brachte der Bayerische Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle zur Eröffnung des Kongresses bei einem sehr eindrucksvollen Staatsempfang für alle Kongressteilnehmer und viele Gäste im Kaisersaal der Alten Residenz München zum Ausdruck. In der Festansprache betonte er seine Überzeugung auf ein Recht auf bestmögliche Bildung, gerade dann, wenn ein Kind krank ist und besondere Unterstützung braucht. Er sah es als wegweisend an, „dass der Kongress auf wissenschaftlich höchstem Niveau sich dieser Aufgabe stellt. (…) Respekt und Dank an alle Beteiligten! (…)Ich wünsche der Tagung einen fruchtbaren Verlauf!“.

Die Wertschätzung und Solidarität für den Kongress, dessen Anliegen und für die teilnehmenden Gäste brachten die Grußworte des Bezirkstagspräsidenten von Oberbayern, Josef Mederer, von Ministerialdirektor Josef Erhard, Amtschef des Kultusministeriums in Bayern, und Rainer Schweppe, Stadtschulrat München, eindrucksvoll zum Ausdruck.
Außerdem konnte nur mit  der großen Unterstützung des Klinikums München Schwabing und der Heckscher-Klinik der Kongress diesen von allen sehr gelobten äußeren Tagungsrahmen bieten.

 

Bewertung durch die Europäische Union

Aus den Begründungen des Projektantrags durch die Veranstalter (…)
„Veränderungen in der Medizin führen zu Änderungen im schulischen Bedarf. Die Fortschritte der Intensiv-Medizin führen zu einer wachsenden Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die eine schwere Krankheit z. B. eine Leukämie-Erkrankung überleben. Mehr oder weniger auffällig für die Schule leiden etwa 15%  bis 20% der Schülerinnen und Schüler unter chronischer oder psychischer Erkrankung und benötigen daher zum Teil langfristig angelegte Hilfen. Wie mehrere Förderschulformen auch, nimmt die Schule für Kranke in Anspruch, dass sich gegen alle Pauschalierungen aus der Bevölkerungsentwicklung heraus die Aufgaben einstweilen mehren.“

Die EU hat unseren Projektantrag zur Förderung des Kongresses in ihrem Programm für „Lebenslanges Lernen“ sehr hoch bewertet. Der Kongress leiste zum Jahresthema der EU „Soziale Ausgrenzung bekämpfen“ (combating social exclusion) einen sehr guten, innovativen Beitrag für eine relevante Zielgruppe.
Die EU fördert den Kongress bei einem Gesamtvolumen von 250.000 € mit 150.000 €.

Worüber konnte man hören, diskutieren und selbst vortragen?

Inhaltlich reichten die Themen vom medizinisch/- und pädagogisch/-wissenschaftlichen in Fachvorträgen bis zu hands-on-Workshops, von der Theorie bis zum kreativ-musischen gemeinsamen Erleben, vom Erfahrungsaustausch im internationalen Vergleich von best practices bis zum individuellen Dialog über persönliche Erfahrung und Betroffenheit.

Eindrucksvoll blickten die einzelnen Vortragenden „über den Tellerrand ihres eigenen Forschungsansatzes“ und stellten Verbindungen zum jeweils anderen Fachgebiet hergestellt.
Ein Beispiel aus den Vorträgen:
Prof. Dr. med. Stefan Burdach, Direktor der Klinik und Chefarzt, Kinderklinik München Schwabing, hat in dies in seinem Eröffnungsvortrag mit dem Thema „z. B. Krebs bei Kindern - Was kommt nach der Heilung?“ sehr deutlich zum Ausdruck gebracht: „Es geht nicht an, Kinder mit einem extremen Aufwand von manchmal mehreren Hunderttausend Euro medizinisch überleben zu lassen, um dann durch Untätigkeit oder Versäumnisse die weitere Lebensgestaltung und Bildungslaufbahn dem Zufall und oft dem Scheitern zu überlassen.“

 

Neue Initiativen, die aus dem Kongress entstehen

An zwei Nachmittagen wurde in Perspektiven-Foren intensiv über Unterstützung der „Weiterentwicklung -Schule für Kranke“ auf nationaler und Länderebene diskutiert.
Herr Ministerialrat Erich Weigl, der die Leitung eines Forums übernahm, lud zu diesem Thema die Fachreferenten aus den Ministerien anderer Bundesländer ein. Zusammenarbeit der Schulen, Beratung bei Krankheit, Nachteilsausgleich, Nachsorge waren die zentralen Diskussionspunkte.  Dort wurde auch eine Überarbeitung des Dokuments der ständigen Konferenz  der Kultusminister der Länder in Deutschland „Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Unterricht kranker Schülerinnen und Schüler“ vom 20.03.1998 angeregt.
Frau Ministerialrätin Irene Schopf diskutierte im zweiten Perspektiven-Forum  mit kultusministeriellen Vertretern aus den Bundesländern, Regierungsvertretern, Vertretern aus den Universitäten sowie Schulleitungen von Schulen für Kranke in Deutschland die Möglichkeiten zur fachlichen Qualifikation in der Lehrerbildung im Sinne einer Pädagogik bei Krankheit.

 

Die Qintessenz: 12 Münchner Thesen

Als Veranstalter erhoffen wir uns aus den politischen Perspektiven-Foren, dass die neuen Themen für die Zukunft Bestanteil der Verordnungen werden und Wege für die Umsetzung in der Zukunft beschritten werden können. Wir haben Erwartungen an die politischen Vertreter unserer Länder, die Forderungen für neue Impulse als gemeinsamen Auftrag zu sehen und an die Europäische Union weiterzuleiten.

Präambel
Krankheit kann eine lang andauernde, schwere Belastung mit vielen Einschränkungen im Leben eines Kindes und Jugendlichen sein.


Thesen: 

  1. Unsere Gesellschaft muss kranke Kinder und Jugendliche nachhaltig vor Ausgrenzung und Diskriminierung schützen.
  2. Der Staat hat die Verpflichtung, eine gesetzliche Grundlage dafür schaffen.
  3. Es ist die Aufgabe aller Schulen aller Länder ein Netzwerk für kranke Kinder und Jugendliche zu bilden.
  4. Pädagogik bei Krankheit muss ein fester Bestandteil der Lehrerbildung sein.
  5. Schulen für Kranke sind gesetzlich verankerte Kompetenzzentren für Unterricht und Beratung bei Krankheit.
  6. Bedarfsgerecht ausgestattete Räume sind eine Bedingung für effektives Lernen.
  7. Die Kompetenzzentren für Unterricht und Beratung bei Krankheit sind offen für alle Kinder und Jugendliche jeden Alters, jeder Schulart und jeder Nationalität, die bei einer Erkrankung Hilfe und Unterstützung in ihrer Entwicklung und ihrer schulischen Laufbahn brauchen.
  8. Neben der medizinischen Nachsorge und analog dazu begleiten und beraten auch die Unterrichts-und Beratungszentren bei Krankheit kranke Schülerinnen und Schüler während der ganzen Schulzeit, solange dies erforderlich ist.
  9. Die Unterrichts- und Beratungszentren bei Krankheit geben Empfehlungen für einen gesetzlich umschriebenen, auf das jeweilige Krankheitsbild anwendbaren Nachteilsausgleich.
  10. Pädagogik bei Krankheit hat die wesentliche Aufgabe zur Entwicklung und Stabilisierung kranker Kinder und Jugendlicher beizutragen.
  11. Dieser Prozess braucht Zeit und Geduld.  Unserer Gesellschaft muss dies ein besonderes Anliegen sein.
  12. Deshalb müssen alle Nationen, Länder, Kommunen, Gemeinschaften und alle am Prozess beteiligten Personen diesen Schutz gewährleisten und in der Praxis wirksam umsetzen.

Herr Dr. Bruno Schor, Leitender Akademischer Direktor der LMU München und langjähriger Leiter der Abteilung Förderschulen am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB), hatte sich auf unseren Wunsch bereit erklärt, den ganzen Kongress zu begleiten. Als Vertreter der Universität, besonders aber als Fachmann in der Sonderpädagogik, setzte er sich für die Rolle der Pädagogik bei Krankheit im interdisziplinären Bildungsauftrag ein und nahm zusätzlich als pädagogischer Vertreter an der Podiumsdiskussion (Politik, Medizin, Pädagogik, Eltern, HOPE International) zum Abschluss des Kongresses teil.
Herr Dr. Schor hat dankenswerterweise die Aufgabe übernommen, die Schwerpunkte der Pädagogik bei Krankheit für die Zukunft zu formulieren.  (Siehe Beitrag auf Seite…)

 

Resonanz bei den Teilnehmern

Die Rückmeldungen waren erfreulicherweise durchwegs sehr positiv.
„Dieser Kongress wird in die Geschichte von HOPE eingehen, nicht nur wegen des tollen Rahmenprogramms von Klassik über Volkstümlich bis Rock. Nein, er wird auch eingehen wegen der Themenvielfalt, wie ich sie in 22 Jahren als Schulleiter einer Schule für Kranke so bei einem HOPE-Kongress noch nicht gehört und erlebt habe. Vor allem wurde eine Verbindung hergestellt, ein Graben zugeschüttet, den man bisher latent spüren konnte (…) Wer ist das legitime Kind der Krankenpädagogik, auf der einen Seite Lehrkräfte aus der Somatik, auf der anderen Seite die Kollegen aus der Psychiatrie. (…)Das ist hier seit München eine andere Zeitrechnung, das ist ein Paukenschlag, der von München ausgeht. Diese Abgrenzung ist allemal passé.“ (Impulsreferat zum Abschluss des Kongresses, Wolfgang Ölsner, Sonderschulrektor, Kinder-und Jugendpsychiatrie Universität Köln)

Weitere Informationen
www.km.bayern.de
www.hope2010munich.eu
Broschüre Die bayerische Schule für Kranke
www.verwaltung.bayern.de/broschueren

Elisabeth Meixner-Mücke
Schule für Kranke München
Kölner Platz 1, Haus 22
80804 München
e.meixner-muecke@t-online.de

 




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