Perspektiven-Foren
Weiterentwicklung der Schule für Kranke in Europa
Elisabeth Meixner-Mücke
Sonderschulrektorin Schule für Kranke München
Das Kultusministerium lud Fachreferenten der
Ministerien aus den Bundesländern, ebenso Pädagogen, Mediziner, Hochschullehrer und Behördenvertreter aus dem In- und Ausland ein, um vordringliche Themen der Pädagogik bei Krankheit anzusprechen. Fortschritte in der Medizin sowie damit verbundene Veränderungen
in der Behandlung von Erkrankungen
und eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität der kranken Kinder und Jugendlichen erfordern eine Weiterentwicklung und Ausweitung des Aufgabenbereichs von Schulen für Kranke,
die in den bisherigen Verordnungen dieser Schulart im allgemeinen
noch nicht verankert sind.
Folgende Themen wurden an zwei Nachmittagen diskutiert und als Anregung zur weiteren Bearbeitung mitgenommen“:
Perspektiven- Forum 1
Beratung- Nachteilsausgleich- Nachsorge
Erich Weigl, Ministerialrat Bayerisches Ministerium für Unterricht und Kultus
Elisabeth Meixner-Mücke, Sonderschulrektorin Schule für Kranke München
Bernhard Ruppert, 2. Sonderschulkonrektor Schule für Kranke München
Beratung bei Krankheit
Die in der Vergangenheit vor allem auf lange, stationäre Aufenthalte in der Klinik ausgerich-teten Behandlungen werden heute in einer Mischung aus stationärer und ambulanter medi-zinischer Betreuung durchgeführt. Manche schwerwiegenden Erkrankungen benötigen eine lebenslange medizinische wie krankenpädagogische Betreuung.
Forderungen:
- Beratung ist erforderlich als Vorsorge, während einer Erkrankung und im Anschluss nach langer Krankheitsdauer
- Beratung gilt für die erkrankten Schülerinnen und Schüler, für Eltern und Geschwis-terkinder, Ämter und Heimatschulen. Sie muss individuell auf die Krankheit abge-stimmt sein.
- Schulen für Kranke verstehen sich als Beratungszentren bei Krankheit
- Standards für Beratung bei Krankheit müssen entwickelt werden
- Heimatschulen sollen Beratung bei Krankheit durch dafür ausgebildete Lehrkräfte in Kooperation mit Schulen für Kranke durchführen.
Nachteilsausgleich
Eine Erkrankung kann auch auf die schulische Laufbahn eines Kindes schwerwiegende Aus-wirkungen haben. Bisher wird ein Nachteilsausgleich sehr unterschiedlich und in Anlehnung an Regelungen für Menschen mit Behinderung individuell gewährt und kann bisweilen we-sentliche Bedürfnisse nicht berücksichtigen.
Forderungen:
- Ein verbindlicher Nachteilsausgleich bei Krankheit soll für alle Schularten formuliert werden.
- Ein Rechtsanspruch auf Nachteilsausgleich muss für Kranke geschaffen werden, in al-len Phasen der Ausbildung einschließlich beruflicher Bildung und Studium. Schule für Kranke kann dabei eine hilfreiche Beratungsschnittstelle sein.
- Leistungserhebungen von schwer erkrankten Schülern können mit ärztlicher Emp-fehlung in der Schule für Kranke durchgeführt werden.
- Vorschläge einzelner Verfahrensweisen aus verschiedenen Bundesländern sollen verglichen und ausgewertet werden.
Nachsorge
Unter dem Gedanken der Inklusion sollen die Schulen für Kranke als ein wesentlicher Ko-operationspartner im Verbund von Medizin, Pädagogik, Familie und Patient betrachtet wer-den.
Eine für erkrankte Kinder und Jugendliche unerlässliche Nachsorge - auch auf pädagogischer Ebene - muss u.a. übernehmen:
Aufgaben:
- Festlegung des Förderbedarfs eines kranken Schülers
- Strukturierung von notwendigen Maßnahmen in der pädagogischen Betreuung
- Fachliche Begleitung durch sonderpädagogisches Fachpersonal mit Schwerpunkt Pä-dagogik bei Krankheit in allen Schularten
- Speziell in Deutschland: „Nachsorge“ als gemeinsame Aufgabe aller Bundesländer in der Kultusministeriellen Konferenz der Länder.
Perspektiven-Forum 2
Personalressourcen - Schulräume - Lehrerbildung
Irene Schopf, Ministerialrätin Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus
Elisabeth Meixner-Mücke, Sonderschulrektorin Schule für Kranke München
Personalressourcen
Allgemein wurde ein eigener Haushaltsetat für Schulen für Kranke vorgeschlagen, der die tatsächliche Bedarfslage finanziell abdeckt. Erforderlich ist die Bemessung eines Stunden-kontingents für die umfängliche Arbeit der Beratung einschließlich Gutachtertätigkeit und Heimatschulbesuchen zusätzlich zu dem jeweiligen Unterrichtsdeputat der einzelnen Lehr-kräfte. Der Bedarf an Lehrerstunden für Schulen für Kranke muss im Vergleich zum jetzigen Stand und unter dem Gesichtspunkt veränderter Aufgaben deshalb erhöht werden.
Zusätzlich muss die erforderliche Qualifikation von Kliniklehrern deutlich beschrieben wer-den. Für den Bedarf der Schulen für Kranke ist u.a. Folgendes vorzugeben:
Bedingungen:
- Lehrerinnen und Lehrer aus allen Schularten, entsprechend der Schülerpopulation
- Regelung für Anwesenheit der Lehrkräfte in der Klinik
- Hohe Flexibilität in der Planung und Durchführung aller schulischen Tätigkeiten
- Berufserfahrung im Unterricht mit heterogener Schülerschaft
- Bereitschaft für enge Kontaktpflege zur Heimatschule, zu Elternund anderen Berufsgruppen und Institutionen
Schulräume
In wenigen Ländern ist eine befriedigende räumliche Ausstattung für die Schule im Kran-kenhaus festzustellen. Es gibt weitgehend kaum eine Bedarfsbeschreibung für Schulräume in der Klinik, teilweise bestehende Vorgaben sind unzureichend. Klinik und Schule stehen oft in unterschiedlicher Trägerschaft, eine Zusammenarbeit der dafür verantwortlichen Stellen gestaltet sich bisweilen daher sehr schwierig.
Forderungen:
- Vergleichbare Regelungen und Standards innerhalb Europas
- Bedarfsgerechte bauliche Vorgaben für Schulräume
- Mitsprache der Schulbehörde bei Planung und Bau von Klinikneubauten
Lehrerbildung
Die Probleme kranker Kinder und Jugendlicher stellen sich in Europa ähnlich dar. So könnte gerade auf diesem Gebiet eine hervorragende Zusammenarbeit in der Pädagogik bei Krank-heit national wie international entstehen. Eine Vernetzung unterschiedlicher Institutionen -Ministerien, Universitäten, Schulen vor Ort - lässt einen hohen Synergieeffekt erwarten.
Forderungen:
- Aufnahme der Pädagogik bei Krankheit in die Lehrerbildung/ Prüfungsordnungen
- Basismodule für Pädagogik bei Krankheit in den Studienrichtungen aller Lehrämter
- Spezialisierung für Lehrkräfte an Klinikschulen/ im Hausunterricht
- Schule für Kranke in der Funktion einer Seminarschule
Der gemeinsame Gedanke, in allen Ländern eine Versorgung kranker Kinder und Jugendli-cher durch Schulen für Kranke zu gewährleisten und zu verbessern, zeigte sich in einer re-gen Diskussion in beiden Perspektivenforen.
Zur Vorbereitung einer Europäischen Lösung wurde von den Teilnehmern die Idee einer
HOPE - Summerschool 2012/13 sehr begrüßt.